Dienstag, 5. September 2006

zum glück ...!

zum glück bin ich kein entführungsopfer, zum glück wurde ich nicht jahrelang in einem „verlies“ versperrt und versteckt gehalten, zum glück musste ich noch nie zu irgendwem „mein gebieter“ sagen, zum glück wurde ich nicht um meine halbe kindheit gebracht und als sklave missbraucht.
zum glück muss ich keine sechsstelligen eurosummen für interviewangebote vergleichen, zum glück muss mich kein betreuerteam von der öffentlichkeit abschirmen, zum glück muss ich nicht als öffentlichkeitsbeschaffer für kurz vor der pensionierung stehende psychologieprofessoren herhalten, die auch einmal gern ins fernsehen kommen wollen –
aber einen brief mit den worten „sehr geehrte weltöffentlichkeit“ zu beginnen, das hat schon was …

ein missionar rettet die welt

der umschlagtext war einigermassen vielversprechend, von „nicht durchhaltbaren gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen“ ist da die rede, das benennen der „ökonomischen und ökologischen Fehlentwicklungen“ wird versprochen - nicht uninteressant, und auch „konkrete Vorschläge für die „not-wendenden“ Umsteuerungen“ werden angekündigt – also her damit, für ein gutes politisches sachbuch investiere ich gerne 25euro…
allerdings sollte man die kurzbeschreibung auch bis zu ende lesen, denn dann hätte man möglicherweise schon erahnen können, dass es sich bei dem buch „globales schafe scheren – gegen eine politik des niedergangs“ von h. wohlmeyer nicht (nur) um das sachliche, von überaschendem und wissenswertem nur so strotzende politik-buch handelt, das man erwartet.
stattdessen hat man sein sauer verdientes bares für das pamphlet eines alten grantlers ausgegeben, mit dem seite für seite zusehends der missionar durchgeht. belege für seine „die-welt-ist-schlecht-weil-niemand-mehr-an-gott-glaubt-these“ findet er ausführlich in „die presse“ und „die furche“, aber zum glück würden sich alle sozialen und ökologischen probleme wie von selber lösen, wenn nur alle so schön gläubig und vor allem auch so katholisch wären wie wohlmeyer, der papst (der „richtige“ natürlich, johannes paul ii) und seine lieblingsheilige (den namen hab ich jetzt vergessen, aber wurscht – hat eh jeder seine eigene, und gläubig sind die alle)
aber da dieses patentrezept so kein ganzes buch füllen würde, muss wohlmeyer ein bisschen weiter ausholen, muss das ganze ein bisschen anders, etwas professoraler, ein bisserl wichtiger und g’scheiter formuliert werden, zum beispiel so: „Diese (die lösungen, anm.) werden jedoch nur durch das Anbinden an tragfähige, transzendental begründete Wertordnungen verwirklicht werden können.“
und so liest man dahin und nach anfänglicher zurückhaltung wird’s dann, so nach 20-30 seiten zunehmend seltsamer…
dass die tochter des autors von einem einzigen (!) abend mit dem babysitter offenbar dauerhafte angstzustände bekommen hat ist schlimm, aber dass wohlmeyer dies zur allgemeinen beweisführung gegen die berufstätigkeit (und „selbstverwirklichung“) von müttern heranzieht ist genauso skuril wie etliche andere im buch angeführte preziosen aus der wohlmeyer’schen g’schichtlsammlung. dazu gehören auch die „beweise“ und erfahrungsberichte aus erster hand zu den wunderheilungen von lourdes, die der missionar wohlmeyer parat hält. diese wären wohl stoff für ein eigenes buch, als lösungsansatz für soziale und ökologische problemstellungen erscheinen sie doch eher deplaziert.
auch abseits der religiösen jammerei ist die argumentation teilweise skuril. so wird etwa erklärt, die gewalt innerhalb der familien nehme zu, die familien brechen immer häufiger auseinander. quellen gibt’s hierfür zwar keine, dafür aber jede menge gründe. ein grund ist laut wohlmeyer zum beispiel die möglichkeit homosexueller partnerschaften, ein anderer grund für die zunehmende gewalt in der familie ist seiner meinung nach, dass viele journalisten selbst aus zerbrochenen familien kommen und daher schlecht über die familie schreiben (sic!).
als wohlmeyer dann (verkürzt gesagt) die these aufstellt, die allgemein grassierende schlechte stimmung (auch so ein weltproblem, die allerorten grassierenden depressionen !?) könne einfach gelöst werden, in dem alle so gläubig und gut drauf wären, wie papst johannes paul ii und auch seine (des autors) „lieblingsheilige“, da war’s dann endgültig genug und das buch flog in hohem bogen aus dem fenster…
resüme: trotz ebenso interessanter wie wichtiger thematik und auch zweifelsohne richtiger inhaltlicher ansätze - schon lange nicht mehr einen so dermaßen unerträglichen sch… gelesen!
hätte der autor seinen missionarischen eifer und seine offenbare religiöse verbohrtheit auch nur einigermaßen unter kontrolle, wär’s wahrscheinlich ein lesenswertes buch geworden, aber so … wirklich schad ums geld!?

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