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Der Habsburger Franz Ferdinand war nicht nur die Zielscheibe eines Attentat vor 100 Jahren, nicht nur bloßes "Objekt" eines historisch bedeutsamen Ereignisses, als das ihn wahrscheinlich jeder kennt! Er war der Neffe von Kaiser Franz Joseph, war eine aufbrausende, jähzornige und streitbare Persönlichkeit, manche sagen, ein Tyrann, er war ein Getriebener und Unzufriedener und nicht zuletzt ein Ungeliebter... Wer zum 100en Jahrestag des Attentats von Sarajevo ein wenig die eigenen historischen Wissenslücken füllen, dabei aber zu keinem der vielen theoretisch unschaffbaren 1000-Seiten-Ziegel greifen möchte, der sollte "Der Thronfolger" von Ludwig Winder in Erwägung ziehen. Schon 1937 erstmals erschienen, damals sofort verboten und nun wieder entdeckt gibt der biographische Roman dem Attentatsopfer Franz Ferdinand ein Gesicht und eine Geschichte (eine durchaus spannende und abwechslungsreiche übrigens!) - interessant und flüssig zu lesen, schöne und elegante Sprache, ein tolles Buch - eindringliche Empfehlung!
Ludwig Winder: Der Thronfolger
Ein Franz-Ferdinand-Roman
Zsolnay, 2014
brogdingnagg - 22. Jun, 10:44
empfehlung!
ganz schön lange liste diesmal!
brogdingnagg - 10. Jan, 13:59
Im Herbst des Jahres 1960 unternahm John Steinbeck mit seinem Pudel am Beifahrersitz, eine Reise quer durch die USA, woraus sein Buch "Eine Reise mit Charley" entstand. Geert Mak hat sich 50 Jahre später auf Steinbeck's Spur geheftet und ist von Sag Harbor im Nordosten, entlang der kanadischen Grenze bis an die Westküste gefahren, von dort nach Süden und weiter über San Francisco bis nach New Orleans. Das Buch, das daraus entstand ist nicht nur ein wunderbarer Reisebericht, der viele Facetten der heutigen USA, des Landes, wie der Bewohner zeigt, ist nicht nur ein einfühlsames Portrait von John Steinbeck sondern ist ganz nebenbei auch ein spannender Abriß zur Geschichte der USA.
In einer leichtfüßigen Sprache fügen sich Mak's Reiseeindrücke von 2010 zu den Notizen Steinbecks aus 1960, ergänzt durch Historisches und Tagespolitisches - kurz gesagt: knapp 600 mitreißende Seiten, ganz ohne "Längen". Allerdings, trotz oder gerade wegen Mak's sehr anschaulich beschriebener Eindrücke hätte sich das Buch eigentlich auch einen kleinen Bildteil aus des Autors Reisealbum verdient!
Dem Umschlagtext kann ich jedenfalls nur voll zustimmen: "Geert Mak ist der Geschichtslehrer, den wir alle gerne gehabt hätten!"
Geert Mak, Amerika!
Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten,
Siedler Verlag, 2013
brogdingnagg - 25. Okt, 22:19
Auf den ersten blick wirkt das buch ja ganz originell, „demokratisch in die pleite“ und „streitschrift gegen die macht des pöbels“ lässt einiges erwarten: eine launige analyse der gesellschaft aus „Kevins und Jessicas“, die nicht bis vier zählen können, aber wählen dürfen, einen tabubruch mit der political correctness, eine intellektuelle bestätigung der impulse die einen überkommen, wenn man zufällig mal ATV aufdreht...
Ortners befund der derzeitigen politischen verhältnisse lautet: die ungebildete, unreflektierte, ja strohdumme mehrheit der wahlberechtigten wählt nur jene politiker welche die größten sozialleistungen versprechen. Da diese (dumme) mehrheit nicht nur dumm, sondern auch nettoempfänger (im gegensatz zu den wenigen, klugen nettozahlern) der staatlichen gelder ist, wählt sie die demokratie damit zusehends in die unausweichliche pleite. Hier, so Ortner komme die demokratie an ihre grenze. Das „Betriebssystem“ demokratie könne nur funktionieren, wenn „die Verblödung der Mehrheit ein bestimmtes Ausmaß nicht überschreitet“.
Was Ortner leider schuldig bleibt, wäre ein beleg für seine implizite behauptung, dass die mehrheit der wähler nicht nur ungebildet und doof, sondern auch „leistungsfeindlich“ ist. Der schluß, dass die mehrheit der bevölkerung auf niedrigem lohnniveau erwerbstätig ist und daher faul und arbeitsunwillig ist, ist nirgends begründet.
Der oft zitierten zusammengehörigkeit der begriffe Freiheit und Demokratie kann Ortner so gar nichts abgewinnen. Freiheit bedeutet für Ihn offenbar nur wenig (oder keine) steuern zahlen zu müssen. Vergiss meinungs- oder pressefreiheit, religionsfreiheit, eigener lebensentwurf, freie partnerwahl, selbstbestimmung ... schnickschnack! An der abgabenquote ist laut Ortner das wahre ausmaß der freiheit abzulesen!
Als leuchtende gegenbeispiele zu den darniederliegenden systemen in europa nennt Ortner länder wie China, Oman, u.a. Hier sei mitunter kometenhaftes wirtschaftswachstum zu vermerken, ohne demokratie. Die bettelarmen chinesen zb sind völlig undemokratisch zu einigem wohlstand gekommen. Dass der chinesische wohlstand keine mehrheit der bevölkerung, sondern lediglich eine kleine reiche oberschicht erreicht, vergisst Ortner dazu zu sagen. Auch die faktoren, auf deren kosten das wirtschaftswachstum erzielt wurde - Gesundheit, Soziale sicherheit, Ökologie!, Arbeitsrecht usw. - werden mit keinem wort erwähnt.
Zum ende des buches wird’s dann allerdings richtig haarsträubend. Als schlussfolgerung aus dem beschriebenen befund und zur rettung der demokratie schlägt der autor vor – eh klar, die staatlichen leistungen radikal zu kürzen, und den staat zu verschlanken sprich von aufgaben zu befreien. Und welche staatliche aufgabe ist es, die Ortner da als erste (und einzige) einfällt? Das schulwesen! Das schulwesen soll privatisiert werden, damit der staat zum einen die ausgaben spart und andererseits das schulwesen der politischen einflußnahme (und damit der einflußnahme der doofen wähler) entzogen ist ! Nachdem der autor sich 80 seiten lang, teilweise sehr humorig darüber verbreitert, dass die mehrheit der wählerschaft zu doof ist auch nur die einfachsten (politischen) zusammenhänge zu verstehen, endet er nicht mit einer radikalen idee der bildungsreform, gerät das buch nicht zum flammenden appell für mehr und bessere bildung um aus Kevin und Jessica mündige wähler zu machen, nein, das schulsystem soll privatisiert und zum „Produkt“ schule werden (welches sich dann aber wahrscheinlich nur noch die „leistungstragende Minderheit“ wird leisten können) – that’s it!
Gegen ende des buches liebäugelt Ortner noch mit dem vorschlag des ökonomen August von Hayek wonach es wohl besser wäre, „alle Staatsbediensteten und Empfänger von öffentlichen Unterstützungen vom Wahlrecht auszuschliessen“. Abgesehen davon, dass diese idee wohl politisch nicht durchsetzbar wäre, fällt Ortner nichts dagegen zu sagen ein.
Und damit ist wohl auch die eigentliche meinung des Autors offenbart und es wird durchsichtig, für welche tendenz und gedankliche stoßrichtung Ortners buch ausdruck ist: eine kleine Minderheit selbsternannter „Leistungsträger“ erklärt den rest der gesellschaft rundheraus zu sozialschmarotzern und leitet daraus die berechtigung für diktatorische Maßnahmen ab. Ob das unsere unausweichliche zukunft ist?
(prolokratie
von Christian Ortner
erschienen bei edition a)
brogdingnagg - 31. Jan, 13:21
Die geschichte beginnt eigentlich wie ein ganz normaler krimi. In gewohnt nüchterner sprache schildert McEwan wie dem protagonisten Stephen die kleine tochter abhanden kommt. Doch es wäre nicht McEwan, wenn nicht im weiteren verlauf des geschehens mehr und mehr absurditäten auftauchen würden. Bettler brauchen eine Lizenz, ein Spitzenpolitiker baut sich ein Kinder-Baumhaus und lebt darin, Stephen findet sich plötzlich im Zeichenunterricht einer Schule wieder und wird von der Lehrerin zurechtgewiesen,... Die unaufgeregte art der schilderung lässt einen manche groteske im ersten moment gar nicht wirklich wahrnehmen - nochmal einen absatz zurück, wie war das eben? – und dann scheint McEwans welt doch nur eine groteske übertreibung, eine persiflage der unsrigen zu sein. In dieser welt voller grotesken versucht Stephen den Verlust seines kindes zu überwinden, sucht erst ruhelos, manisch die ganze stadt ab, verliert auch noch seine beziehung und wird dann ein gelangweilter, antriebsloser tagträumer. letztlich kommt die geschichte von Stephen und Julie dann zu einem zugleich überraschenden wie erwartbaren ende.
wahrscheinlich nicht unbedingt das beste buch von Ian McEwan, aber jedenfalls zu empfehlen!
brogdingnagg - 28. Jan, 13:11
wärmste empfehlung!
siehe da.
brogdingnagg - 2. Jan, 15:54
das buch zum weltuntergang und zum jahreswechsel: Sibylle Berg, Ende gut. Eine Frau sieht die Welt in Terror, Krieg und Seuchen untergehen und findet dabei zu sich selbst. Ein radikaler Roman, ein apokalyptisches Roadmovie mit - nona - gutem ende. Der monologartige stil erinnert in seiner Übertreibung und Schonungslosigkeit etwas an Thomas Bernhard, hat allerdings ein ganz anderes, höheres tempo. teilweise zum brüllen komisch, teilweise zum fürchten schrecklich - unbedingt lesen!
brogdingnagg - 31. Dez, 14:57
wärmste empfehlung!
siehe da
brogdingnagg - 24. Apr, 13:04
Von den medienberichten zu einigen einschlägigen neuerscheinungen neugierig gemacht, landeten kürzlich einige ‚graphic novels‘ in brogdingnagg’s einkaufswagen beim online buchhändler. Die schmöcker sind nicht billig, also wanderten die meisten gleich wieder auf die merkliste, Blankets von Craig Thompson wurde geordert, auch unter dem motto das angenehme mit dem nützlichen zu verbinden: ist gleich auch ein bissl „improve your englisch“ - und jetzt seh ich, das hätt’s in Deutsch auch gegeben!?
Jedenfalls ist ein wunderschönes buch geliefert worden. Eine schöne, vielschichtige, teilweise autobiographische geschichte, von den Leiden der Kindheit, erster Liebe, religiöser engstrinigkeit, provinzieller einsamkeit - und natürlich den decken (blankets) die eventuell darüber gebreitet werden.
Der roman ist, was das spannungsniveau betrifft sicher kein thriller, vielleicht sogar etwas schnulzig, aber unheimlich schön gezeichnet, - und mit 580 seiten ein lesevergnügen das auch nicht gleich wieder zu ende ist.
Kein schlechter einstieg in die welt der graphic novels - Empfehlung!
(wo ist gleich nochmal diese merkliste…!?)
brogdingnagg - 9. Dez, 11:25
Henry René Albert Guy de Maupassant wurde am 5. August 1850 auf Schloss Miromesnil in der Normandie geboren. Nach einem abgebrochenen Jurastudium und einer kurzen Teilnahme am deutsch-französischen Krieg 1870/71 landete er als mittlerer Beamter in Paris.
Die Fadesse seines eintönigen Bürojobs suchte er mit Kanufahrten auf der Seine und wechselnden Liebesabenteuern zu vertreiben.
In seinem 1885 erschienen Roman Bel-Ami erzählt Maupassant - angeblich unter Verwendung zahlreicher autobiographischer Elemente - die Geschichte des Kleinbürgers und Emporkömmlings Georges Duroy, welcher mittels einiger skrupelloser, gut kalkulierter Affären eine veritable Karriere in der Pariser Gesellschaft macht. Leichtfüßig zieht Maupassant seine Leser mit, obwohl sich sein Held Duroy so gar nicht als Identifikationsfigur eignet. Im Gegenteil, man erwartet immer dringender dessen Entlarvung und verdiente Bestrafung. Ob dies letztlich geschieht oder nicht, soll hier nicht verraten werden, lohnt es sich doch, es selbst herauszufinden. Guy de Maupassant jedenfalls bezahlte seine amourösen Abenteuer bitter: 1877 infizierte er sich mit der Syphilis, an deren Folgen er, nach einem letzten Jahr verbracht in geistiger Umnachtung, 1893 starb.
brogdingnagg - 23. Jan, 20:22